Nora war Teilnehmerin an unserer zweitägigen virtuellen Pilot-Studienreise nach Israel & Palästina, bei der wir, wie auch bei unseren physischen Reisen, Einblicke in die aktuelle Situation, Lebensrealitäten und die ganz individuellen Herausforderungen der einzelnen Regionen von Jerusalem über Haifa und das Jordantal bis hin zum Gaza-Streifen und den Golanhöhen gewinnen konnten. Von ihren Erfahrungen und Eindrücken während unserer virtuellen Tour berichtet sie in diesem Artikel.
„Bist du schon wieder aus Israel/Palästina zurück?“, fragt mich meine Mitbewohnerin als ich mir einen Kaffee aus der Küche hole. Wir schmunzeln und ich antworte: „Nein, wir reisen gleich weiter an den Gazastreifen und treffen dort auf Rani“. Mit meiner vollen Kaffeetasse verschwinde ich wieder in meinem Zimmer und setze mich vor den Laptop wo bereits meine Reisegruppe auf mich wartet. Einige meiner Mitreisenden waren schon häufiger in Israel/Palästina oder wären eigentlich gerade dort. Andere haben wenig Vorkenntnisse und sind einfach nur neugierig auf Land und Leute. Eines haben wir alle gemeinsam, die Corona Pandemie macht uns einen Strich durch unsere Reisepläne. Zumindest haben wir das gedacht bevor wir uns auf die virtuelle Studienreise von Alsharq begeben haben.
Für alle, die sich fragen wie eine virtuelle Reise funktioniert: Es ist ganz einfach. Laptop anschalten, dem Zoom-Meeting beitreten, es sich auf dem eigenen Stuhl bequem machen, hoffen, dass die Internetverbindung stabil bleibt und losreisen. Das Alsharq-Team übernimmt den Rest. Wie auch bei einer physischen Reise, haben die Reiseleiter alles durchdacht und vorbereitet. So reisen wir virtuell nach Jerusalem, dem religiösen Zentrum des Landes und lernen dort Tobias vom Willy-Brandt-Center kennen, der über die geschichtsträchtige Stadt berichtet und uns von seinem Balkon aus den Tempelberg und die Kuppel der al-Aqsa-Moschee zeigt. Danach geht es nach Haifa, wo wir eine israelische, palästinensische und deutsche Sichtweise auf das Leben in einer „gemischten“ Stadt kennenlernen. Nach einer kurzen Pause gibt uns Christoph, unser Reiseleiter, eine Einführung in die Historie und die aktuellen politischen Entwicklungen am und im Gazastreifen. Über Google Maps zeigt er uns wo die Frau wohnt, deren Bekanntschaft wir als nächstes machen werden. Kurze Zeit später schaltet sich Rani in das Zoom-Meeting hinzu und schildert uns eindrücklich ihr Leben an der Grenze zwischen Israel und dem Gazastreifen. Nachdem wir ihr ein paar Fragen gestellt haben, überqueren wir virtuell die Grenze und sprechen mit Mohammed, einem Palästinenser, der direkt in Gaza lebt und arbeitet. Eindrücke und Erfahrungen, die physisch mir gar unmöglich erscheinen.
Am zweiten Tag lernen wir unter anderem Mohanad kennen, der im Jordantal lebt und uns über die Annexionspläne und ökologischen Herausforderungen vor Ort erzählt. Auf Wunsch der Gruppe machen wir am Ende der virtuellen Reise noch einen kurzen Abstecher in die Golanhöhen und sprechen mit Shefaa, einer Syrerin, die dort in einem kleinen Dorf aufgewachsen ist. Auf der Profilübersicht von Zoom sehe ich Reinald, wie er sich seinen arabischen Kaffee einschenkt und genüsslich ein paar Ma’amoul (Mürbeteiggebäck gefüllt mit Datteln und Pistazien) vernascht. Trotz aller anfänglichen Skepsis ist auch bei mir ein bisschen Urlaubsstimmung aufgekommen.
Eines ist natürlich klar. Eine virtuelle Reise ersetzt keine physische Reise. Allerdings hätte ich nicht gedacht, wie gut mir das virtuelle Reisen gefällt und dass ich als virtuelle Touristin mein Fernweh in Zeiten Coronas ein wenig stillen kann. Bis ich wieder „richtig“ reisen kann und Israel/Palästina mit meinen eigenen Augen (nicht etwa durch einen Computerbildschirm) sehe, bin ich allerdings sehr froh, eine Alternative zu haben. Ich habe direkt nachgeschaut, welche Reise als nächstes angeboten wird: es geht nach Kurdistan!