Der Bürgerkrieg in den Neunzigern, der mehr als 100.000 Opfer forderte, ist die erste Assoziation vieler, sobald von Bosnien-Herzegowina die Rede ist. Die blutigen Kämpfe haben ein bis heute zerrissenes Land hinterlassen. Armut und Korruption erschweren die Lage zusätzlich. Doch das Land hat noch eine andere Seite, verbindet es doch Menschen, die Grenzen überwinden wollen, herzliche Gastfreundschaft, beeindruckende Landschaften und einen einzigartigen Mix osmanischer und österreichischer Einflüsse.
Auch wenn Bosnien-Herzegowina in seiner heutigen Form erst 1995 im Rahmen des Friedensabkommens von Dayton entstanden ist, spielte es jahrhundertelang eine wichtige Rolle im Kampf verschiedener Großmächte um die Vormachtstellung auf dem Balkan. Während Teile des heutigen Staatsgebietes in der Antike der römischen Provinz Dalmatia angehörten, erfolgte nach einigen Jahrhunderten im Spannungsfeld zwischen byzantinischem Reich und dem Königreich Ungarn 1463 schließlich die Eroberung durch das Osmanische Reich, die den Grundstein für die teilweise muslimische Prägung des Gebietes legte. Die Annexion durch Österreich-Ungarn vergrößerte indes erneut den westlichen Einfluss auf das Land.
Es folgte die Einbindung des über die Jahrhunderte entstandenen ethnischen und religiösen Schmelztiegels in den Vielvölkerstaat Jugoslawien. Separatistische Bestrebungen einzelner Bevölkerungsgruppen führten zu Spannungen, die den Zerfall Jugoslawiens 1992 begünstigten. Die Unabhängigkeitserklärung Bosnien und Herzegowinas wurde noch im selben Jahr unterzeichnet, es folgte einer der blutigsten Konflikte in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg.
Der Bürgerkrieg hat bis heute tiefe Narben in dem Land hinterlassen, oftmals stehen sich die Bevölkerungsgruppen noch immer misstrauisch gegenüber. Politiker instrumentalisieren diese, es gibt nach wie vor einen starken Nationalismus. Verschärft wird die Situation durch Korruption und Armut, das politische System gilt mit seiner komplexen Gliederung als „kompliziertestes Regierungssystem der Welt“.
Gleichzeitig finden aber auch Reformen statt, welche die Zusammenarbeit zwischen den Landesteilen intensivieren sollen, teils auf Drängen der EU in der Hoffnung auf eine schrittweise Annäherung und einen möglichen Beitritt. Und auch zivilgesellschaftliche Initiativen widmen sich zunehmend einer kritischen Aufarbeitung der blutigen Vergangenheit des Landes und der Möglichkeit für politischen Dialog.
Unsere Highlights
Sarajevo
Nicht umsonst auch bekannt als das „Jerusalem des Balkans“ ist die Hauptstadt Bosnien-Herzegowinas bereits seit Jahrhunderten ein regelrechter kultureller und religiöser Schmelztiegel und Symbol friedlicher Koexistenz. Zeugnisse dieser Geschichte lassen sich in der gesamten Stadt finden, von der in weiten Teilen osmanisch geprägten Altstadt mit der Gazi-Husrev-Beg-Moschee oder dem bekannten Basar, über Monumente österreichisch-ungarischer Herkunft wie dem Vijećnica – dem ehemaligen Rathaus – hin zu den Synagogen der jüdischen Gemeinden. Der Bürgerkrieg hat auch hier seine Handschrift hinterlassen, durchlitt Sarajevo in den 1990ern doch eine knapp vier Jahre andauernde Belagerung.
Mostar
Die im 16. Jahrhundert von den Osmanen erbaute und im Bosnienkrieg zwischenzeitlich zerstörte Brücke ist zugleich eines der bekanntesten Wahrzeichen und Namensgeber der Stadt Mostar. Sie überspant den Fluss Neretva und verbindet den muslimischen mit dem katholisch-kroatischen Teil der mittelalterlichen Stadt, während des Krieges verlief hier eine Frontlinie. Zwar gehört die Trennung der Stadt formell seit Jahren der Geschichte an, in der Praxis gibt es sie jedoch nach wie vor weiter - ein Ausdruck der nach wie vor tiefen Gräben zwischen den Bevölkerungsgruppen im Land.
Srebrenica
Der Name dieser Stadt ist untrennbar verbunden mit dem größten Massaker in Europa nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, als 8.000 muslimische Männer und Jungen vor den Augen der Weltgemeinschaft brutal ermordet und in Massengräbern verscharrt wurden. Führungen durch das Srebrenica Memorial Center und den ehemaligen UN-Compound sowie ein Besuch der Gedenkstätte der Opfer des Genozids vermitteln ein eindrückliches Bild dieses Grauens.
Prijedor
Neben seiner von verschiedensten Einflüssen geprägten Architektur ist Prijedor vor allem bekannt als weiterer Schauplatz für ethnische Säuberungen während des Krieges, insbesondere durch das Konzentrationslager Omarska. Während das Gespräch mit Überlebenden dem Schrecken ein Gesicht gibt, treffen wir auch mit lokalen Menschenrechtsaktivist*innen, die sich mit eben dieser Geschichte kritisch auseinandersetzen und junge Menschen zu politischem Engagement ermutigen wollen.
Landschaftliche Vielfalt
Grüne Waldlandschaften und schroffe Gebirge in Bosnien auf der einen und Herzegowinas Nähe zur kroatischen Mittelmeerküste auf der anderen Seite sorgen dafür, dass das Land auch landschaftlich mit einer großen Vielfalt und rauen Schönheit besticht.
Aktuell
Sarajevo – die wenigsten Menschen waren schon einmal dort, aber sehr viele verbinden etwas mit dieser Stadt im Herzen Südosteuropas. Jahrhundertelang galt Sarajevo als das zweite Jerusalem - eine jener kosmopoliten Städte, die religiöser und kultureller Schmelztiegel Europas waren. Nirgendwo sonst, außer in Jerusalem, standen Minarette und Kirchen, Türme von Kathedralen und Synagogen so dicht beieinander.
Über kaum ein anderes Land Südosteuropas ist in den vergangenen Jahren so viel berichtet, geforscht und geschrieben worden. Trotzdem – oder vielleicht gerade deswegen - wissen die meiste Menschen so gut wie nichts über Bosnien und Herzegowina.